10Tipps 02 – Ich vs Roddy Doyle

/ September 6, 2013

Ich hab nie was von Roddy Doyle gelesen und kenne auch niemanden der_die Roddy Doyle gelesen hat. Aber er war der erste auf der Liste, der nicht Worte wie ’niemals‘ oder ‚immer‘ verwendet, oder nur – für meinen Geschmack – belanglose Sachen aufgezählt hat.
Hier also Teil 2 meiner putzigen kleinen Workflow-Serie, die jetzt 10Tips heißt.

Roddy Doyle

1. Verzichte darauf, dir ein Foto deines_r Lieblingsautors_in auf den Schreibtisch zu stellen.
Besonders wenn er_sie eine_r von denen ist, die sich umgebracht haben.

Ist wahrscheinlich metaphorisch gemeint. Und von daher bin ich ganz seiner Meinung. Ich hab auch keine Vorbilder. Klar, es gibt Autor_innen, die den einen oder anderen (von mir persönlich geschätzten) Aspekt des Schreibens so grandios beherrschen, dass ich beim Lesen dahinschmelze. Aber was ich an Stil gern lese, ist nicht das, was ich an Stil gern schreibe. Oder, nein, ich schreibe schon auch gern mal ein Stilstück, aber die gehen nie über eine kurze Geschichte hinaus. Wär mir viel zu anstrengend.
Das Problem mit Vorbildern ist, dass man nie jemand anderes als man selbst sein kann, und dass es das Potenzial hat, einen zu verunsichern, wenn man erzählerisch eigene Wege geht, anstatt seinen Vorlagen treu zu bleiben.

2. Sei nett zu dir.
Mach Seiten so schnell wie möglich voll; nutze doppelte Abstände oder schreib nur in jede zweite Zeile. Betrachte jede neue Seite als einen kleinen Erfolg…

So zu mogeln, liegt mir nicht, aber grundsätzlich stimme ich vehement zu. Ja, ich gehe sogar noch weiter und sage: „Nicht nur jede Seite ist eine Leistung, jeder Satz verdient ein selbstironisches Schulterklopfen und selbst das geistige Durchkauen von Szenen zählt als löbliche Arbeit.“
Gut, für psychotypische Leute ist das wahrscheinlich eine etwas zu niedrige Latte, um sich noch selbst respektieren zu können, aber für emotionale Krüppel wie mich sind so flache Standards die einzig praktikablen.

Ich habe seit neustem eine digitale Stechuhr, mit der ich genau logge, wie lange ich arbeite, und weil ich meinen Kalender für sonst nichts brauche, schreib ich da jeden Tag rein, wieviele Stunden ich gearbeitet habe, und wieviele Seiten dabei rumgekommen sind (dazu schreib ich noch, ob es neue Seiten, geindexte Seiten oder das Einarbeiten von irgendwas irgendwo im Text war).
Alles in allem verwende ich wesentlich weniger Zeit aufs Schreiben als ich gedacht hatte (nach maximal einer Stunde schaltet mein Hirn ab und braucht eine Pause, meistens hält es nur ne halbe Stunde durch, und insgesamt komm ich auf zwei bis vier Stunden pro Tag) aber meine Erwartung an mich selbst habe ich schnell dran angepasst.

3. … aber ab Seite 50 wird es ernst.
Fang an, dir Gedanken über die Qualität zu machen. Sei ängstlich – das ist dein Job.

Aha. So war 2. also gemeint. Hm. Ich hab große Probleme damit, schnell etwas runterzuschreiben, vor allem wenn es Teil einer größeren Arbeit ist. Ich mache mir immer Gedanken über die Qualität, alles muss logisch sein, ich recherchiere jeden Scheiß usw.
Ich hatte überlegt, dieses Jahr mal beim NaNoWriMo mitzumachen (auch wenn ich gelesen habe, dass Verleger total angepisst sind, weil sie von Dezember bis ~ März/April/Mai erbarmungslos mit der Scheiße bombardiert werden, die die Leute im NaNoWriMo zusammengeschustert haben, und dass dieser Müll auch Self-publishing-Plattformen derart überschwemmt, dass deren eh schon schlechter Ruf noch weiter sinkt), um mich zu zwingen, mal nicht zu denken, sondern einfach in die Tasten zu kloppen und zu gucken, was passiert.
Vielleicht unter dem Titel PerShiWriMo (Personal Shit Writing Month). Mal gucken, ob meine derzeitige Ideenflaute diese Woche noch verschwindet, weil wenn nicht, wäre das eine Möglichkeit, mich beschäftigt zu halten.
Eine andere Idee in der Richtung war, eins von den Zeichner-Memes auf DeviantArt zu nehmen und es zu einem Schreib-Meme umzufunktionieren. Mal gucken.

4. Gib deiner Arbeit so bald wie möglich einen Titel.
Nimm ihn in Besitz und sieh ihn vor dir. Dickens wusste, dass ‚Bleak House‘ diesen Titel tragen würde, noch ehe er zu schreiben begann. Der Rest muss leicht gewesen sein.

‚So bald wie möglich‘, okay. Das bedeutet: Sobald mir einer einfällt.
Ein Titel hilft sicher dabei, einer Geschichte eine Richtung zu geben und beim Thema zu bleiben. Außerdem kann er als Kristallisationspunkt für Ideen/Inspirationen dienen.
Aber wie bei allem gilt hier, einer Geschichte nicht mit vorgefassten Vorstellungen im Weg zu stehen. Wenn der Titel aufhört zu passen, ändere ihn.

5. Beschränke deinen Internetkonsum auf ein paar Seiten pro Tag.
Halte dich so fern wie möglich (ausgenommen für Recherche).

Amen, Bruder!
Wenn ich morgens surfe, ist der Tag so gut wie gelaufen. Wenn ich in einer Schreibpause von meinen drei erlaubten Bookmarks abweiche, ist der Tag so gut wie gelaufen. Wenn ich für meine Recherche kein Extrafenster aufmache, sondern jedes mal wenn ich was nachschlagen will all die ach so verlockenden offenen Tabs mit geistloser Ablenkung drin sehe, ist der Tag so gut wie gelaufen.

6. Bewahre deinen Thesaurus in der Hütte ganz hinten im Garten oder hinter dem Kühlschrank auf.
Irgendwo, wo man sich nur mit Mühe inbewegen kann. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Worte, die dir von alleine einfallen, gut genug sind.

Ja und nein.
Ich verwende den Thesaurus meiner Wahl nicht, um Wortwiederholungen zu vermeiden (solche Probleme löst man durch Umformulierung, nicht durch gestelzte Alternativen), sondern wenn ich etwas bestimmtes sagen will, mir aber kein Wort einfällt, das es zu 100% trifft.

7. Gib hin und wieder einer Verlockung hin.

Wisch den Küchenboden, häng Wäsche auf. Das ist Recherche.

Ich denke mal, damit meint er das Phänomen, dass wir manchmal alles tun würden, nur um nicht das tun zu müssen, was wir eigentlich tun sollten.
Ich wünschte, ich hätte dieses Problem. „Ich hab heute nichts geschrieben, ich wollte so viel lieber putzen.“
Ich mache gelegentlich kleine Mikro-Pausen, z.B. wenn eine Formulierung nicht will oder ich das Gefühl habe, dass ich jetzt aufhören will zu schreiben, aber weiß, dass ich noch schreiben kann. Dazu habe ich ein Spiel auf meinem Rechner, das in einem kleinen Fenster über meiner im Vollbildmodus stattfindenen Arbeit eingeblendet wird. Ein kleiner bunter Bubbleshooter, der keine Geräusche macht, mich aber in Textform beleidigt, wenn ich in einer Runde unter 2.500 Punke mache. Kurz meine Aufmerksamkeit zu lockern und auf etwas anderes als den Text zu starren, ohne dabei meine eigentliche Arbeitsumgebung zu verlassen, hilft mir, länger bei der Stande zu bleiben.

8. Entscheide dich um.
Gute Ideen werden oft von besseren getötet. Ich habe an einem Roman über eine Band namens ‚Partitions‘ gearbeitet. Dann habe ich mich entschieden, sie ‚The Commitments‘ zu nennen.

Öh, ja. Das fällt auch unter ‚Steh deiner Geschichte nicht im Weg‘, würde ich sagen. Aber nicht nur, wenn es um Titel oder Namen geht, sondern auf jedem Level – egal wie weitreichend die Auswirkungen einer Änderung wären. Die Geschichte als Ganzes ist das wichtigste, nicht coole Formulierungen oder Szenen, die letztendlich wie Warzen am Arsch wirken.

9. Such nicht auf amazon nach dem Buch, das du noch nicht geschrieben hast.

Mit anderen Worten ‚Scher dich nicht darum, ob es zu deiner Idee schon ein Buch gibt‘, vermute ich mal.
Wobei das unter Umständen dazu beitragen könnte, dass weniger von diesen ‚Thema X ist gerade voll in, lasst uns alle ein Buch dazu schreiben‘ passiert.

10. Verbringe nur ein paar Minuten pro Tag damit, an der Autorenbiographie für den Einband zu arbeiten – „Er pendelt zwischen Kabul und Tierra del Fuego.“ – dann geh zurück an die Arbeit.

Gibt es sowas im deutschsprachigen Raum überhaupt? Also, jetzt mal außerhalb von Sachbüchern, bei denen die Qualifikationen der_s Autor_in relevant sind?

(Quelle)

Und das war auch schon Runde 2 von Ich vs Jemand Anderes.
Ist weniger erleuchtend ausgefallen als ich gehofft hatte, aber zügeln wir mal meinen Perfektionismus und posten auch mal was nur so um des Postens willen.
Ich weiß, das ist schlechter Stil, aber scheiß drauf.

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