Schlecht erzählt: Source Code

/ März 11, 2012

Da Ela auf ihrem Blog einen Artikel über diesen Streifen geschrieben hat, dachte ich mir, mach ich doch auch einen. Hatte ich sowieso machen wollen, dann aber verpeilt.

Spoilers galore ab… jetzt.

3 in 1
Gefallen hat mir an dem Streifen, dass so viele Rätsel bestanden.
1. Wo ist der Held gerade eigentlich?
2. Wie ist er dahin gekommen?
3. Wer hat die Bombe wo platziert?
Die drei Stories laufen parallel ab, haben zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliches Gewicht, das war hübsch abwechslungsreich.
Die ‚große‘ Rahmengeschichte fand ich auch nett. Ein halber Marine in einer Box als Weltenretter. Originell. Gestört haben mich aber die unten raushängenden Därme. Kein Medizinier würde das einfach so offen rumliegen lassen; die Gefahr von Austrocknung und Infektion wäre einfach zu groß. Wozu gibt es schließlich skin-grafts, künstliches Gewebe und… Plastikfolie?

Die Tuse
Es gibt natürlich eine Tuse in dem Film. Es gibt immer eine Tuse. Hübsch, charmant, edgy, wir wissen von den ersten 10 Sekunden Dialog an, dass der Held sie am Ende kriegt, auch wenn er zu Anfang vorbildlich auf seine Aufgabe fokussiert bleibt.
Was mich an der Tuse nervt, ist folgendes: Sie steht auf den Kerl, dessen Körper Jack in Besitz genommen hat. Auf den indirekt als langweilig und lahm dargestellten Lehrer; das gesteht sie später. Aber als Jack auftaucht, mit einer völlig anderen Persönlichkeit, da steht die Tuse auf einmal auf ihn. WTF? Wieviel gegensätzlicher können zwei Typen denn sein?

Realismus
Ja, ich weiß schon. Aber hier hats mich wirklich sehr gestört. Wie zur Hölle soll das alles funktionieren? Wie soll man aus den Erinnerungen einer einzigen Person eine ganze Welt rekonstruieren, die Informationen enthält, von denen diese Person überhaupt kein Wissen hatte? Puh-lease! Und Parabolische Gleichungen mit Quantentheorie reichen da nicht als Technobabbel.

Der Bösewicht und die Weltrettung
Wir haben ein bisschen ein Bru-ha in dem Film, weil der Bösewicht kein fernöstlich assoziierter Kerl ist, wie natürlich alle erwarten seit 9/11 (es wird aber doch erstmal noch einer verprügelt), sondern… ein böser Nerd. Ja, Leute, ein käsebleicher, teigiger Kerl, der selber eine Atombombe bauen kann, und das auch tut, weil die Welt so schlecht ist und zerstört werden muss, damit man sie wieder aufbauen kann. Aber klar doch.
Da frage ich mich auch, was der Film uns jetzt sagen will.
„Terroranschläge sind böse“, das ist schonmal klar.
Außerdem: „Einfach aus seinem problematischen Leben in ein anderes rüberspringen, einem toten Geschichtslehrer eine hübsche Tuse abstauben, und schon ‚ist alles wieder gut'“.
Nicht zu vergessen: „Wenn man zig Versuche hat, um ein immerzu identisches Problem zu lösen, sollte man nicht zwischendurch aufgeben“.
Das läuft insgesamt raus auf: „Mit Hightech den Status quo der Welt zu retten und ein ‚glückliches‘ Individuum mitten in der globalen Scheiße zu werden, ist viel besser, als die grausame Realität anzuerkennen und den Status quo mit Hightech zu zerstören, um auf den Misstand aufmerksam zu machen und Veränderung zu erzwingen.“
Im Ernst jetzt? Wenn du meinst, Drehbuchautor. Wenn du meinst…
Mich kotzt diese biblische Erzählweise an. Ihr wisst schon, die, in der Hiobs Frau, seine Kinder, seine Sklaven und sein gesamtes Vieh umgebracht werden, ohne dass das irgendwie Eingang in die übergreifende ethische Fragestellung findet. Hier geht es nur und ausschließlich um das Leid und die Interessen der Hauptfigur; alle anderen Charaktere und ihre Schicksale sind lediglich eine Kulisse..

Immer diese letzten Worte
Wenn ich eins hasse, dann die. Immer Klischee. Seufz. Ein Streit zum Abschied, und Sohnemann kann an nichts anderes denken, als an eine Entschuldigung für Daddy. Und dann lernen wir bei dem Telefonat auch noch, dass Daddy Jack ’nicht genug gezeigt hat‘, dass er ihn liebt. Wenn Eltern sowas sagen, bedeutet das im Klartext: ‚Ich hab ihn wie Scheiße behandelt.‘ Aber dem sozial stabilisierenden Klischee gehorchend weiß Sohnemann natürlich trotzdem, dass Daddy ihn geliebt hat – nur leider nicht genug, um über seine Gewaltrechtfertigungsstrategien hinwegzukommen und seine eigenen psychischen Probleme zu lösen, anstatt sie an dem Kind auszulassen.
Die angemessene Reaktion von Jack aus meiner Sicht? „Gut, dass ich dem alten Arsch doch noch die Meinung geigen konnte, bevor ich abgetreten bin.“ Aber das wäre ja subversiv.

Das ignorierte Opfer + das unfassbar unlogische Ende
Was ist eigentlich mit dem Lehrer? Hm? Der wurde durch Jack ersetzt. Einfach so. Ausgelöscht. Jack hat ein ganzes Leben von einem anderen Menschen übernommen. Was für ein Leben? Das eines Geschichtslehrers. Ist Jack ein Geschichtslehrer? Nein. Einen Job hat er also schonmal nicht mehr, ist nur eine Frage der Zeit. Sein neuer Körper könnte hochtrainiert werden, aber wir wissen alle sehr gut, dass Jack psychisch nicht mehr für den Dienst an der Waffe geeignet ist.
Stattdessen gibt es Therapie für die Posttraumatische Belastungsstörung – falls Jack sich das von seinem Job als Burgerbrater überhaupt leisten kann; in ein Therapieprogramm für Veteranen kommt er jedenfalls nicht rein, als Geschichtslehrer. Die PTBS unseres Helden war so stark symptomatisch, dass sie unseren Jack in den Selbstmord getrieben hat… der sich dann aber zum ‚Neuanfang‘ entwickelt. Wer nur ein bisschen über Depression und PTBS weiß, fasst sich hier – wie oben bereits angedeutet – seufzend an den Kopf. Neuanfang. Ja aber klar doch… Also muss er seiner Tuse neben seinem urplötzlichen Persönlichkeits- und Kompetenzprofilwandel auch noch all seine urplötzlich auftauchenden Symptome erklären – falls die Tuse überhaupt Lust auf den ganzen Ärger hat, der mit PTBS einher geht.
Und wird er dann überhaupt noch Lust auf die Tuse haben? Er kennt sie ja erst seit insgesamt vielleicht 60 Minuten, während denen er nicht gerade sonderlich inhaltsvolle Gespräche mit ihr geführt hat. Und die radikale Ehrlichkeit, die ihn so charmiert hat, wird als Basis für eine langfristige Beziehung kaum ausreichen.
Wird sie ihn vor dem Jobproblem retten, indem sie ihn mit nach Indien schleppt? Psychisch krank ist er dann immer noch, und weiter weg von einer Therapie als je zuvor.
Aber trotzdem ist alles gut (sagt Jack).
Außer für den Lehrer. Der ist nämlich als einziger wirklich bei dem Bombenanschlag draufgegangen, und niemand nimmt es auch nur zur Kenntnis.

Das wäre soweit alles, was ich noch so an Kritikpunkten im Gedächtnis habe.

Share this Post
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare