Zwölf Lektionen (und ein paar Hacks) aus dem Land der Stifte

/ März 9, 2014

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(Dieser Post ist voll von Bildern, von denen ein Haufen irgendwie verschwunden ist, und ich geh zwar grad das Blog durch und ersetze verschwundene Bilder, aber auf diesen Post hier hab ich sowas von keinen Bock….)

Ich schreibe relativ viel mit der Hand. Manche Szenen brauchen das einfach, und manchmal bremst der Monitor meine Kreativität. Ich schreibe auch gerne mit der Hand. Meine Schrift sieht zwar ziemlich unästhetisch aus, aber ich mag das Auf-und-Ab, die Kringel und Linien. Irgendwie beruhigt mich das. Und ich weiß, was ich von einem Stift erwarte, was ich brauche, was ich will.

Das war jedoch nicht immer so. Am Anfang der Hass-Liebesgeschichte zwischen mir und den Stiften wusste ich nichts. Na gut, fast nichts. Ich wusste, dass ich mit Füllern überhaupt nicht kann, schon gar nicht mit diesem ‚ergonomisch designten‘ Scheiß, den sie einem ständig andrehen wollen, und dass es grausam war, mich bis zur Oberstufe dazu zu zwingen, mir mit so einem Ding die Finger zu brechen. Von wegen ’schönere Schrift‘. Meine Handschrift sieht immer unästhetisch aus und manchmal kann ich sie selber nicht lesen, aber mit einem Kuli schreib ich wenigstens bequem, die Finger dicht an der Spitze und dicht beieinander. Fuck your system, fuck your rules, yo!
Aber ansonsten wusste ich nichts. Gar nichts. Weder über mich, noch über meine Schreibhand, noch über Stifte und ihre mannigfaltigen Formen, Mechanismen und Materialien. Ich schrieb sogar noch groß, damals. Und ein Stift, so glaubte ich in meine Naivité, ein Stift, ist nur etwas, womit man diese ausladenden Buchstaben schreibt.
Eitle Jugend! Ach!
So schrieb ich anfangs denn auch immer mit dem Kuli, der sich gerade zufällig in Griffweite befand. Im ersten war eine blaue M-Miene, im zweiten eine schwarze. Zwischendurch hatte ich auch mal für ein paar Seiten einen blauen Faserschreiber oder einen Tintenroller in der Hand – die Tintenroller von ALDI, wer erinnert sich noch? die waren gar nicht sooo schlecht – und eine knappe Seite habe ich sogar in Bleistift geschrieben.

Erste Lektion: Gelschreiber = Nope.

Der erste Stift, den ich mir bewusst fürs erzählende Schreiben zugelegt und in meinem Notizbuch in Vollzeit festangestellt habe, war ein Gelschreiber. Genauer gesagt ein G-Tec von Pilot, Strichstärke F (laut Auszeichnung; faktisch wars M). Der hier:
Gelschreiber, so glauben viele, sind toll, von wegen kräftige Farben und flüssiges, leichtes Schreiben. Der Gelschreiber war nach genau 25 Seiten leer.
Ich hab nachgezählt.
25 Seiten.
Klar, so ein Gelschreiber kostet ’nur‘ Einen Euro Umme (damals noch D-Mark), und manche kann man sogar nachfüllen, was den Müll etwas reduziert. Trotzdem fühlte und fühle ich mich schmutzig, wenn ich ein derart unergibiges Produkt verwende.

Zweite Lektion: Feine Mine = Super wendig, super leichtgängig

Von Gelschreibern enttäuscht habe ich dann lange einen kleinen schwarzen, schlanken Kuli verwendet, der mir mal im Rahmen eines No-Name Schreibtischkompaktdingens (so mit Tacker und Büroklammern und Zeugs) geschenkt wurde. Ich mochte diesen Kuli und erinnere mich noch gut an ihn, auch wenn seine Tinte mittlerweile zu einem verwaschenen, verlaufenen Rostrot degeneriert ist. Die Mine darin war zwar eine Spur breiter als die F-Minen, die ich heute verwende, aber immer noch deutlich schmaler – und damit leichter und wendiger – als die M-Kulis, die aus mir völlig unbegreiflichen Gründen als Standard gehandelt werden.
Irgendwann war aber auch der Kleine Schwarze leergeschrieben (nach 81 Seiten, um genau zu sein; das sind 3.24 mal so viele wie der Gelschreiber geschafft hat), und es war klar, dass ich nach der Erfahrung mit seiner relativ feinen Mine nie wieder mit etwas breiterem schreiben wollte. Im Ernst, M-Minen fühlen sich für mich an, als würde ich versuchen, auf einem zähen Ballon zu schreiben. Wabbel-wobbel-schwubbel. So unkontrolliert und träge und mit zu viel schwammigem Widerstand.

Damit begann eine Odyssee, bei der neben der Auswahl der Mine nur klar war, dass ich auch ein eher schmales Gehäuse wollte, weil sich ein breites nicht gut vorne in ein Notizbuch klemmen lässt.
Der erste Zwischenstop war wieder ein Pilot. Diesmal die Variante SuperGrip. So einer hier:Für eine Weile schwor ich auf diesen Stift. Günstig nachzufüllen, nicht-rutschige Griffzone, einfach zu entfernender Clip (an all meinen Kulis rupfe ich als erstes den Clip ab, weil diese Dinger beim Drehen des Stiftes stören und ihn außerdem entlang der Längsachse aus dem Gleichgewicht bringen).
Ich war glücklich. All meine weiteren Notizen für Das Prinzip der Schönheit schrieb ich mit einem einzigen SuperGrip und um die sieben Nachfüllminen.
Hier aufgereiht eine Auswahl leerer oder wegen Krankheit frühverrenteter Minen (und die leere Frixion Mine). Die leeren gaben ihr Leben neben dem Prinzip auch für La Thalía Bleue, die letzten Kapitel von Félicie, diverse One-Shots und längere Phics auf Englisch und Deutsch (siehe oben unter ‚Kurzes‘), und natürlich Bitter.

Pilot SuperGrip Absolventen des tine-schreibt-Kurses.

Pilot Teilnehmer_innen des tine-schreibt-Bootcamps, 1999 – 2013.

Doch ach! Eines Tages gab es beim Schreibwarenhändler meines Vertrauens keinen Pilot SuperGrip mehr, nur noch Gelschreiber. Und alle anderen Geschäfte? Alle anderen Geschäfte hatten nur M-Minen!!!

Warum bin ich nicht auf die Idee gekommen, einfach die Metallspitze einer nicht ganz leeren F-Mine (damit keine Luftblase entsteht) auf den Plastiktank einer vollen Mine beliebiger Machart umzustöpseln? Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich starr vor Schock und unfähig zu denken. Vielleicht mangelt es mir auch an intellektueller Kapazität.

Dritte Lektion: Tiefgelegene Antirutsch-Griffzone = Muss

Zuerst fügte ich mich in mein Schicksal. Immerhin war der Pilot G-Tec zu einem halbwegs vertretbaren Preis nachfüllbar. Doch während ich im Urlaub am Strand in der Sonne damit schrieb, wurde mir plötzlich klar, dass es keinen Grund gibt, Stifte mit glatter Griffzone zu produzieren. Meine Finger rutschten über die metallene Nase des G-Tec. Ja, ich weiß, darüber ist eine fast schon exzessiv geriffelte Griffzone, aber meine Schreibhaltung ist nunmal sehr papiernah. Die Griffzone am G-Tec ist einfach zu weit oben für mich.
Also ging die Suche weiter.

Vierte Lektion: Sehr dünne Stifte = Nope
Fünfte Lektion: Durchsichtige Mine = Jepp

Im Fachhandel erstand ich dann einen Lamy logo. So einen hier:

Lahm-y

Dieser Stift krankt zwar auch an der viel zu hoch gelegenen Griffzone, aber wie man auf dem Bild ganz gut erkennen kann, ist die Nase aufgerauht. Den Clip zu entfernen, war ein Akt, aber wie immer erwies sich Gewalt als hervorragende Lösung für die meisten meiner Probleme.
Der Lamy hielt dennoch Lektionen für mich bereit. Zwei sogar. Und zwar sind dünne Griffzonen super unbequem. Ich krieg den Stift da nicht richtig gehalten. Außerdem sind undurchsichtige Tintenbehälter ein totaler Stressfaktor. Ich wusste nämlich bald, dass ich diesen Lamy wohl eher nicht nachfüllen werde (die Großraumpatrone hielt allerdings so lange, dass am Ende der Lack an der letzten Rippe der Griffzone komplett abgerieben war) und ein Nachfolgestift war noch nicht gefunden.
.
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Sechste Lektion: Flüssige Tine = fette Striche
Siebte Lektion: Kappe = Nerv

Um diese Zeit herum begann mich die Idee des Füllers zu reizen. Nicht des Federhalters in dem Sinne (find da mal einen, der keine ewig dicke Kappe oder eine ‚ergonomisch geformte‘ Griffzone hat), sondern eines Stiftes, den man aus einem Tintenfässchen nachfüllen kann. Weniger Plastikmüll, you know?
Ich legte mit also einen Rollerball der Marke Online zu. Einen kleinstformatigen, der nur mit aufgesteckter Kappe volle Stiftlänge erreicht, was dazu führt, dass die Kappe nicht zum nervigen Übergewicht am Stiftende wird. Das ganze mit niedlichen gelben Blümchen drauf. Weiß ich gar nicht, ob die noch hergestellt werden.

Genau so niedlich, aber kürzer und gelber.

Genau so niedlich, aber kürzer und gelber.


Zum Schreiben an sich war dieser Stift ganz okay. Es hat nur genervt, dass sich die Kappe immer losgeruckelt hat, weshalb ich sie letztendlich immer in der anderen Hand halten und mit einem selbst für meine kleinen Pfoten tendenziell zu kurzen Stift schreiben musste. Die Griffzone war auch nicht sonderlich bequem. Die erhoffte Strichbreite F hat sich auch nicht eingestellt, auch wenn Trägkeit nicht so das Problem war; Tinte ist halt viel flüssiger als Kugelschreibermatsch. Trotzdem harumpf.
Also weiter gesucht.

Achte Lektion: Federhalter = Immer noch nope

Vielleicht doch nochmal ein ‚richtiger‘ Füller? Immerhin war ich noch in Besitz eines dunkelblauen Lamy Safari aus Schultagen, und wer weiß, vielleicht fände sich mit ein bisschen Hacking doch ein Weg, das Schreiben damit angenehmer zu gestalten? Zur gleichen Zeit hackte ich auch an meinen Notizbüchern rum und hatte für kurze Zeit eine Mappe, an der ich die Kappe eines Stiftes dauerhaft befestigen könnte, so dass weder ihre Dicke noch ihre Einzelteiligkeit relevant waren.

Warum heißt der 'Safari'??

Warum heißt der ‚Safari‘??

Ich ließ mir also eine Feder der Stärke EF zum Geburtstag schenken (danke, Ela), rückte der glatten Griffzone mit einem Messer zuleibe und feilte die beiden unbequemen Höcker weg, die – wie so viele unbequeme Dinge in der Welt der Stifte – das Resultat ‚ergonomischen‘ Designs sind.
Nach dieser Behandlung war die Griffzone rutschfest (kurzfristig; durch die Weichheit des Plastiks war das ganze ziemlich schnell wieder glattgerieben) und die Höcker waren futsch (mit ihnen bedauerlicherweise auch ein Großteil des Widerstandes, der die Kappe auf dem Stift hielt, aber auch da half Gewalt wieder einmal weiter).
Nach diesem intensiven Hacking und Freundinneninput war ich natürlich sehr entschlossen, diesen Füller total großartig zu finden und mich zwischen denen einzureihen, die erhobenen Kinns verkünden, dass sie ja nur noch ganz klassisch mit Federhalter schreiben.
Doch ach… Auch auf extra glattem Papier war die Feder vergleichsweise kratzig. Nicht hörbares-Kratzen-kratzig, aber ich-schreibe-gegen-einen-kleinen-aber-auf-Dauer-doch-ermüdenden-Widerstand-an-kratzig. Trotzdem ist die Strichdicke nicht mit der einer F-Kugelschreibermine zu vergleichen. Nimmt man noch das Stiftdrehen hinzu, das dazu führt, dass die Feder nicht immer auf Anhieb mit der richtigen Seite auf dem Papier landet, war die Schreiberfahrung alles in allem nicht besonders erhebend.
Oh, und Tinte an den Fingern? An sich okay, ich hab nichts dagegen, wenn man meinen Händen ihre Beschäftigung ansieht, aber es ist erstaunlich, wie viel Tinte an der Seite einer Feder auslaufen kann, bloß weil man die Finger daranlegt.

Neunte Lektion: Robuste Griffzone = wichtig.

Ich war traurig. Ich fühle mich geschlagen. Besiegt. So viele Bedürfnisse identifiziert, und kein Stift in Sicht, der sie alle erfüllte.
Dann jedoch kam das Internet zu meiner Rettung. „Pilot SuperGrip online kaufen“. Yeah! Ich bestellte gleich zehn. Also, Ersatzminen. Stifthülsen hab ich nur zwei bestellt.
Ah, geliebter Pilot SuperGrip. Komm in meine Arme. Halt mich. Halt mich ganz fest. Sag mir, dass du mich liebst und dass wir für immer zusammen sein werden.
„Ich liebe dich mehr als mich selbst.“ flüsterte der Pilot SuperGrip zurück und wieder waren wir beide glücklich, beisammen, eins. Für eine Weile…

Ihr müsst das verstehen. Ich bin jung, ich bin neugierig, ich brauche Freiheit. Ich will die Welt sehen und neue Dinge ausprobieren. Neue Stifte in meiner Hand spüren… Oh Pilot SuperGrip, ich weiß, du wirst es mir verzeihen. Du bist der reifere von uns beiden, der weisere. Du weißt, dass man die, die man liebt, loslassen muss, weil das Festhalten keinen von beiden glücklich macht.

Ich ging meinem Pilot also fremd. Zuerst mit einem Atlantis Click Classic von BIC.

Mit Green Washing fürs schlechte Gewissen.

Mit Green Washing fürs schlechte Gewissen.

BIC ist so ein merkwürdiges Phänomen. Wenn in meiner Kindheit Kulis gekauft wurden, waren das diese ganz simplen, schnörkellosen BIC Einwegkulis, die beim Schreiben rasseln. Ich war oft kurz davor, einfach so einen zu kaufen; wäre er nicht so griffzonenlos (gut, es gibt Silikondinger, die über Bleistifte passen und man könnte auch die Griffzone von einem SuperGrip zurechtschneiden aber… meh) und vor allem einwegig.
Im Kaufhaus XY gab es den Atlantis natürlich nur mit Stichstärke M, aber eine kleine Verlängerung erlaubte mir, meine Pilot Nachfüllminen zu verwenden. Die Griffzone war sehr angenehm, sehr dicht zur Spitze runtergezogen, der Durchmesser perfekt, der Clip schnell entfernt.
Ganz nackig.

Ganz nackig.

Ich mochte diesen Stift. Bis sich die Gummikomponente der Griffzone als enttäuschen kurzlebig herausstellte. Ich kannte das schon von den Pilotstiften; das Gummi leiert ein bisschen aus und kriegt Kerben von den Fingernägeln. Das Problem beim Atlantis war nun aber, dass das Gummi kurz vor dem Ende der Griffzone vergleichsweise dünn ist. Es leiert also nicht nur ein bisschen aus, sondern dehnt sich richtiggehend. Am Ende schlabberte der untere Rand in der Gegend rum. Nein, das stimmt nicht ganz. Der Gummi schlabberte rum, und am Ende hatte ich ihn vollständig abgezupft.

Zehnte Lektion: Gelschreiber = Bleiben nope, egal was man tut.

Nach dieser traurigen Enttäuschung wandte ich mich wieder ans Internet und fand nach einigen Schwierigkeiten schließlich mehrer Blogs, die Stifte aller Art bewerten (wenn man seinen Suchbegriffen die Worte „Noodler’s Ink“ voranstellt, kickt es die meisten Verkaufsplattformen und sämtliche Werbegeschenkläden aus den Suchergebnissen. Pro tip, yo!). Begeisterung! So Stiefte! Viel vergleich! Wow!

Das Ergebnis dieser langen Surftour war eine ebenso lange Liste an Stiften, die ich abzuarbeiten gedachte, sobald ich nochmal Geld zu verbrennen hatte. Auf dieser Liste befanden sich ausschließlich Gelschreiber und Tintenroller, aber laut den Blogs ist die Technologie mittlerweile so weit verbessert, dass sie tatsächlich Striche vom Maß F erzeugen können, und daher – so meine Hoffnung – auch nicht mehr so drastisch viel schneller leer werden
Einen Stift habe ich schon ausprobiert. Den Pilot Frixion, der mit einem temperatursensitiven Gel schreibt (wer wo wohnt, wo es schonmal friert, sollte also die Möglichkeit des Radierens nicht ausnutzen, weil die Tinte bei Kälte wieder sichtbar wird, und wer wo wohnt, wo es schonmal richtig warm wird, sollte seine Notizen nicht im sonnengeparkten Auto liegen lassen, ohne zeitnah ein Gefrierfach verfügbar zu haben). Die Kappe ist eigentlich ein No-Go, aber ich wollte den Stift eh nur für meine Morgenschriebe verwenden, weshalb das kein Problem war.

Rubbeldiewutz.

Rubbeldiewutz.

Der Frixion schreibt tatsächlich mit einem annehmbar feinen Strich, auch wenn die Farbe der Tinte eher Grau als Schwarz ist. Er schreibt auch sehr leichtgängig. Fast schon wieder zu leichtgängig.
Aber jetzt ratet mal, für wie viele Seiten die Tinte im Frixion gereicht hat.
25.
Jepp.
Fragt mich nicht wie das geht, so von wegen feinere Linie und so. 25 Seiten. Ist das ein Industriestandard oder was? Grummel.
Die Frixion Minen sind also überhaupt nicht zu gebrauchen.
Mit dem Gehäuse sieht das allerdings anders aus – wenn man mal von einem üblen aber leicht zu behebenden Designfehler absieht.
Ich weiß ja nicht, wie das bei euch so ist, aber ich käme niemals, niemals auf die Idee, irgendwo an einem Stift eine scharfe Kante anzubringen. Der Frixion aber hatte eine scharfe Kante. Genau da, wo der Schaft ins Vorderteil übergeht. Genau da, wo der Stift beim Schreiben über die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger reibt. Welche_r Depp_in hat dieses Design abgesegnet? Oh Mann. Zum Glück gibt es Nagelfeilen. Um scharfe Kanten abzuschleifen.
Et voilà, makelloses Design.
Der Frixion ist schlanker als der SuperGrip, weshalb ich überrascht war, wie angenehm er in der Hand liegt. Die Sweet Zone zwischen ‚zu dünn‘ und ‚zu dick‘ ist weiter als ich gedacht hätte. Er ist auch ein gutes Stück kürzer, aber auch für große Hände nicht zu kurz. Er hat eine tiefsitzende Griffzone, deren Gummierung sich zwar in Schichten ablöst, das aber sehr langsam, während sie gleichzeitig nicht ausleiert. Ich mag dieses Gehäuse. Ich mag es wirklich. Ich wollte es weiter benutzen. Mit den Minen vom SuperGrip.
Da gab es allerdings zwei Probleme, die ich durch Hacking und – natürlich – etwas Gewalt einer Lösung zuführen musste.
Problem 1: Die SuperGrip Minen sind deutlich kürzer als die Frixion.
Lösung: Zuerst hatte ich überlegt, den Schaft mit Papierstückchen zu stopfen, bis die fehlende Länge ausgeglichen ist. Dann kam ich aber auf die elegantere Idee, mal zu versuchen, ob nicht der Stopfen, der hinten auf der Frixion Mine draufsitzt, zufällig die richtige Länge hat. Und siehe da, der Zufall war auf meiner Seite. Der Stopfen lässt sich mit etwas Kraft sogar derart verkeilen, dass er nichtmal mehr ein loses – und damit verlierbares – Einzelteil ist.
Die rote Linie markiert den Stopper.

Die rote Linie markiert den Stopper.

Problem 2: Die Frixion Mine ist deutlich dicker als die SuperGrip; die SuperGrip rutscht deshalb an den eigentlichen Stoppern vorbei und kann entnervend weit aus dem Gehäuse herausrutschen, ehe sie von einem zweiten Stopper gefangen wird.
Lösung: Ich habe ein Stück von einer leeren SuperGrip Mine abgeschnitten und mit einer Wollnähnadel so weit aufgedehnt, dass ich es als Verlängerung über die Metallspitze der Mine schieben konnte. Ein bisschen Finetuning mit einem Teppichmesser und fertig ist die Laube. Eine entsprechend nachgerüstete Ersatzmine hab ich auch gleich gebaut und hinten ins Notizbuch geklebt. Ich gehe niemals ohne Ersatzmine aus dem Haus. Jede sechste ist nämlich ein Blindgänger und hört auf zu funktionieren ehe sie auch nur ansatzweise leer ist.

Elfte Lektion: Man muss eine Kappe nur recht zu nutzen wissen.

Es begab sich nun also, dass ich mir ein Notizbuch bastelte und die Gelegenheit bekam, die Kappe des Frixion fest darin zu installieren. So an Stelle einer Stifteschlaufe. Seitdem bin ich ein Kappenfan. Das Ein- und Ausstöpseln geht so schnell und die Kappe sitzt so auffordernd da, dass ich seitdem meinen Kuli kaum noch unter Decken, zwischen Sofalehne und -sitzfläche, in Taschen, unter Zetteln, zwischen Matratze und Wand, unter meinem Hintern oder sonstwo im dreidimensionalen Raum verlege.

Zwölfte Lektion: Sekundenkleber + Teppichmesser = Unendliche Möglichkeiten

Nachdem ich das Frixion Gehäuse so erfolgreich nutzen konnte und wegen des neuen Notizbuchs noch voll in Frickelstimmung war, nahm ich mir meinen Lamy Safari nochmal zur Brust, um zu sehen, ob ich nicht das Problem mit den tintenverschmierten Fingern in den Griff kriegen könnte.

Halskrause.

Halskrause.

Ich hab also ein Stück vom Schaft eines runden Edding Filzers abgeschnitten (nachdem ich getestet hatte, ob dieses Plastik und das Plastik des Lamy für meinen Sekundenkleber zugänglich sind) und es mit viel Mühe und vielen kleinen Dehnungschnitten soweit aufgezogen, dass es über den schmalen Sims gleich hinter der Feder passt. Danach hab ich die zur Feder zeigende Seite zurechtgeschnitten und alles zusammengeklebt.
Die Kappe passt noch, sitzt wieder fester als vorher und ich kann den Lamy jetzt bequem halten, ohne dass meine Finger versauen. Interessanterweise ist der Durchmesser der neuen Griffzone nach ein bisschen anpassendem Schmirgeln nur noch minimal größer als der des Frixion Gehäuses.
Als Sahnehäubchen obendrauf habe ich es außerdem geschafft, die Feder leichtgängiger zu machen. Dabei kamen mir die super rauhen Karteikarten zunutze, die ich mir kürzlich zugelegt hatte. Konsequentes und durchsetzungsfreudiges Kringel- und Linienzeichnen hat die Spitze soweit geglättet, dass sich der Lamy jetzt auf Schnellschreibpapier so leicht führen lässt wie ein Kuli auf Schulheftpapier.
Ich bin zuversichtlich, dass ich mit ein bisschen Übung (von wegen nicht so feste aufdrücken, d’uh…) dahin kommen kann, dass sich der Lamy so angenehm führen lässt wie ein Kuli. Die nächsten paar Seiten Notizen werd ich mal damit schreiben. Mal sehen, was passiert. Die Strichdicke ist nach etwas Gebiege und Gefeile an der Feder mit der einer M-Mine vergleichbar. Allerdings schreibt der Füller ohne das Gewabbel einer M-Mine, weshalb das eigentlich egal ist.

Nach den Lektionen

Was bringt nun die Zukunft für die stiftbezogenen Bereiche meines Lebens?
Nun, ich bin glücklich mit SuperGrip Minen in einem Frixion Gehäuse und hoffe auf große Taten von meinem gepimpten Lamy. Doch glücklich war ich auch vorher schon, und das hat mich nicht davon abgehalten, nach einem immer perfekteren Stift zu suchen.

Die Sehnsucht nach etwas mit Kugel, das ich außerdem aus einem Tintenfass nachfüllen kann, lässt mich nicht los. Ich trage mich nun mit dem Gedanken, mir dieses schöne Stück hier zum Geburtstag zu schenken. Einen NibCreaper Rollerball von Noodler’s:

Noodledoodledoo.

Noodledoodledoo.

Laut Reviews und Schreibtests ist die Strichstärke ganz brauchbar, und die Griffläche ist zwar nicht optimal, aber da sie aus Ebonit besteht, könnte man sie weitgehend anpassen. Der gute Herr Noodler ist außerdem ein Freund des Stiftehackings, und bevor ich mich entgültig entscheide, werd ich mal sehen, ob sich auf seiner Seite oder seinem youtube channel nicht vielleicht eine technische Zeichnung der Stiftspitze mitsamt Luftzulauf usw. findet.
Naja, aber bevor ich nen Zwanni in einen Stift investiere, lass ich die Idee mal noch ein paar Wochen lang in meinem Hirn im Kreis laufen.

Und dann bin ich noch auf diese Kuriosität hier gestoßen. Einen ‚unendlichen Bleistift‘ namens Napkin 4.Ever von Napkin:

I gave that bitch a chemical burn. Bitches love chemical burns.

I gave that bitch a chemical burn. Bitches love chemical burns.

Das Ding hält ewig, weil es schreibt, indem die (angeblich ungiftige, aber ich werd bestimmt nicht dran lecken) Legierung, aus der die Spitze besteht, das Papier oxidiert, und nicht indem es einen Abrieb darauf hinterlässt. Die Linien werden sozusagen chemisch ins Papier gebrannt. Find ich spannend.
Allerdings wüsste ich gern, ob es auch mal eine Ausführung mit einer schmaleren Spitze geben wird (das in diesem informativen Artikel hier verlinkte, ebenfalls tintenfreie ‚most eco-green writing instrument‘ Beta Inkless von Zack Zagoory ist zwar spitzer, schreibt aber mit Blei; nein, normale ‚Bleistifte‘ schreiben mit Graphit, der Beta Inkless schreibt mit tatsächlichem Blei; genau, dem giftigen Schwermetall; japp, so super eco-green) oder ob es möglich ist, das Ding einfach selber etwas schmaler zu feilen.
Reviews zu dem Stift hab ich auch praktisch keine gefunden, nur copy-pasta des Werbetextes auf der Herstellerseite und die Behauptung, der Stift sei radierbar, was nicht stimmt.
In ein anständiges Gehäuse eingebaut hätte dieses Ding sicher Potenzial.

Tja. Und das war dann auch schon das. Stifte. Stifte überall.

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2 Kommentare
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^Ela^
10 Jahre zuvor

Bei mir bewahrheitet sich der Grundschulglaube tatsächlich, ich schreibe mit Füller tatsächlich lesbarer als mit Kuli.;-)
Lange mit der Hand schreiben, lässt sich aber dank meiner latenten Entzündungen in den Händen immer wieder mal nicht machen, aber wenn ich musste (Klausuren), dann ging das mit dem Füller tatsächlich besser (ich verkrampfe beim Kulischreiben total, das geht nicht länger als Notizen oder Einkaufszettel, frag mich nicht warum…).
Am allerallerbesten schreibe ich aber mit Bleistift – ich lieeeebe Bleistifte, damit kann man so schön rummalen;-) – aber das hält ja leider nicht so wirklich. Im Büro schreib ich aber fast nur mit Bleistift, weil 90% von den Notizen braucht man ja nur höchstens mal eine Woche.