Achronologisches Pantsing – Die Wahrheit über „Planendes“ Schreiben

/ Dezember 19, 2015

Eine Skulptur eines gemütlich zwischen Pflanzen auf der Seite liegenden Buddha.

Der Titel ist etwas reißerisch, aber ich bin grad voll so pumped und so, und die Buddha-Statue bildet einen beruhigenden Kontrast, damit hier niemand Bluthochdruck kriegt. Sie ist aber auch on-topic. Versprochen.

Anlässlich meines kürzlich geposteten Artikels unterhalte ich mich gerade mit Ela über unsere – dem Schein nach – unterschiedlichen Schreibweisen.

Ela schreibt im Allgemeinen ohne viel Vorbereitung drauflos, ich schreibe erst los, wenn ich den Anfang der Geschichte schonmal grob ausgearbeitet habe und in etwa weiß, wo es hingehen wird.
Elas Arbeitsweise bezeichnet man als ‚entdeckendes Schreiben‘ oder ‚Pantsing‘ – von englisch ‚pants‘, Hose, weil man sich auf den Hosenboden setzt und schreibt – während meine ‚planendes Schreiben‘, ‚Planning‘, heißt.
Und da ich den Eindruck habe, dass man sich an dem Wort ‚Plan‘ ganz zu unrecht aufhängen kann – und mir im Schreiben dieses Artikels aufgegangen ist, dass die Unterscheidung nur LÜGE, ALLES LÜGE!! ist – dachte ich mir, poste ich mal was dazu, was ‚planendes‘ Schreiben (bei mir) eigentlich ist.

Nämlich mehr ein vorausschauendes Schreiben und im Grunde genommen auch bloß Pantsing mit Kristallkugel und ohne Chronologie.

Vorausgeschickte Frage an Ela, von der abhängt, ob dieser Artikel für sie völlig am Thema vorbeigeht oder nicht: Wenn du an der zweiten Szene einer Geschichte arbeitest, ist die erste, schon geschriebene, dann auch tot und in den Schaukasten gepinnt?

Und nun…
Die Sache ist also die:

Wenn ich ein größeres Projekt ‚durchplane‘, setze ich mich nicht – wie man aus dem Wort ‚planen‘ leicht, jedoch fälschlich folgern könnte – hin und entscheide willkürlich, wie die Geschichte jetzt gefälligst zu verlaufen hat.
Im Gegenteil, was ich tue, ist ein Prozess des Entdeckens und Herausfindens, genau wie das Pantsing, nur dass ich nicht bloß den jeweils nächsten Satz freilege, sondern auch Dinge, die weit in der Zukunft der Geschichte geschehen.

Ich schaue sozusagen in meine Kristallkugel, um herauszufinden, was die Charaktere in ein paar Tagen oder Wochen wahrscheinlich tun werden. Und das schreib ich dann auf. Entweder als kurze Notiz oder als ausformulierte Szene, je nach dem, wie sehr mich die Inspiration packt.
Das Ganze ist so chaotisch und spontan, wie Pantsing nunmal ist. Ich kann meine Abstraktionen und meine Inspiration genau so wenig steuern wie jede_r andere. Meine Charas tun, was sie wollen, die Ideen kommen, wie sie eben kommen, und alles ordnet sich, wie es sich halt ordnet.
Selbst wenn ich mich mit Brande-Methode an die systematische Ausgrabung einer Szene mache, die mir einfach nicht gelingen will, triggere ich bloß gezielt Ideen zu einem bestimmten Thema. Was kommt, bestimme nicht ich, sondern die Geschichte.

Ich Pantse also. Nur halt nicht chronologisch. Damit ich mich nicht im Dunkeln Satz für Satz durch eine mir praktisch unbekannte Geschichte tasten muss, mit all den Ängsten, die dazu gehören (Was, wenn das alles hier scheiße ist? Was, wenn es plötzlich nicht mehr weiter geht? Was, wenn ich mit dieser Szene alles ruiniere?).

Ich Pantse in die Zukunft, in die Vergangenheit, in alle räumlichen Richtungen, bis ich genügend über meine Geschichte weiß. So verstehe ich auch meine Charaktere besser, so kann ich ihnen leichter folgen, und weiß eher, wo ich nachhaken muss, um noch etwas über sie zu erfahren, das für die Geschichte wichtig ist.

Fazit:
Planen ist nichts anderes als Pantsing. Achronologisches Pantsing, das sich von den Ketten der ‚richtigen Reihenfolge‘ befreit hat und ungehemmt die ganze Geschichte auf einmal erforscht, anstatt mit Tippelschrittchen im Dunkeln umherzutappen.

Sogesehen braucht man sich auch nicht vom Pantsen zum Planen oder andersrum zu bekehren. Beides ist Eins und nicht voneinander verschieden. Beides ist nur eine Erweiterung, Befreiung und Ganz-bis-zuende-Denkung des anderen.

.gif einer meditierenden Zen-Nonne

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