Bruce Lee über das Schreiben

/ Mai 7, 2012

Bruce Lee, im Tritt, sehr cool, mit erhobenem Zeigefinger und verkniffenem Gesichtsausdruck

Stile trennen die Menschen voneinander.
Erforsche deine eigene Erfahrung.
Nimm auf, was nützlich ist.
Lehne ab, was nutzlos ist.
Füge hinzu, was essentiell dein Eigen ist.

– Bruce Lee

Der Mann spricht über Kampfkunst, aber ich denke, was er da sagt, ist eine für alle Lebensbereiche nützliche (Binsen)Weisheit; auch für das Erzählen.

Es gibt bewährte erzählerische Systeme (Genres, Erzählperspektiven, Stilmittel usw.), an denen man sich orientieren kann, die man besser oder schlechter finden kann, durch die man sich von anderen Autorinnen unterscheiden kann, auf die man sich versteifen kann.
Dieses Versteifen und Unterschieden ist ein Phänomen, das ich persönlich nur aus Literaturforen kenne, aber es existiert anscheinend auch in den ‚höheren‘ Literatenkreisen. Da heißt es, so oder so habe man zu schreiben, damit es ‚gut‘ ist; dieser oder jener Stil sei unmöglich; dieser oder jener Standard müsse erfüllt werden.
Damit knoten sich die Leute gegenseitig die Schnürsenkel zusammen und verdammen einander dazu, entweder nur genormte Tippelschrittchen zu machen, oder voll auf die Schnauze zu fliegen.

Mit dem Entschluss „Ich schreibe jetzt Genre X in Stil Y!“ schränkt man sich selbst ein, und auch wenn man zwischen Genres und Stilen springt, beschränkt man sich selbst auf einen ganz bestimmten Erfahrungsspielraum. Nämlich den Raum innerhalb der Systeme. Man verdammt sich dazu, nichts außerhalb der ausgetretenen Pfade zu erfahren, und Fehler werden immer nur an Standard X gemessen, nicht an der eigenen Erfahrung dessen, was sich beim Schreiben gut anfühlt, was Spaß macht, was in den eigenen Ohren gut klingt.
Natürlich, die Systeme sind bewährt, man kann sich darauf verlassen, dass sie funktionieren, und man braucht sie nur mit einem gewissen Maß an Originalität zu füllen, um von den – ich sag jetzt mal polemisch – ‚Wächtern der Systeme‘ zumindest als ‚eine von uns‘ anerkannt zu werden.
Aber hier ist wieder die Frage, die ich so gern stelle: Schreibst du, um Erfolg zu haben, oder schreibst du, um zu schreiben? Schreibst du für die anderen, oder schreibst du für dich?

Es ist eine durchaus exzellente Idee, sich in den Systemen umzusehen. Diese Dinge haben sich ja nicht ohne Grund entwickelt.
Sie bilden außerdem ein komplexes Vokabular, an dem man sich bedienen kann, bieten Konnotationen, Implikationen und Erwartungen, mit denen man seine Ausdruchsweise erweitern und kreativ spielen kann.
Sie zeigen einem auch Tricks, die einfach funktionieren, bieten eine Struktur an, an der man sich orientieren kann, geben einem Zugriff auf die gesammelte Erfahrung tausender anderer Autorinnen, von denen man in kurzer Zeit lernen kann, was man im Selbstversuch vielleicht niemals rausfinden würde.

Aber die brave, unkritische Übernahme irgendwelcher Traditionen ist nicht klug. Die Art, wie Geschichten klingen, wandelt sich, einfach dadurch, dass sich der kulturelle Kontext wandelt, vor dem wir sie wahrnehmen. Vor 10 Jahren waren Dinge modern und innovativ, die heute schon wieder ausgelatschter, langweiliger Standard sind. Solche welken Blüten der Literaturgeschichte – sag ich mal – die heute einfach nicht mehr so knallen wie damals, muss man nicht unbedingt übernehmen. Man kann sie ablehnen. Einfach so.
Und das gilt eben nicht nur für zu modern und dadurch langweilig gewordene Dinge – ein Urteil, das oft dem Konsens von Konsumenten und/oder ‚Systemwächtern‘ entspringt – sondern für alles, was der Autorin einfach nicht gefällt, was nicht klingt.

Und damit sind wir am letzten Punkt angekommen. Bei dem Eigenen der Autorin.
Das muss nichts von Grund auf völlig neu erfundenes sein – der Berg an schonmal gemachten Dingen wächst täglich – man kann Bewährtes neu kombinieren, etwas abwandeln, mal bewusst gegen die Regeln spielen und sehen, ob es nicht trotzdem klingt. Wohin treibt einen die eigene Phantasie, die eigene Kreativität? Wie wird aus diesen ganzen Informationen und Erfahrungen, die ich gesammelt habe, meine eigene Erzählweise?
Das muss nichts Niedagewesenes sein. Aber es sollte sich wie etwas Eigenes anfühlen, wie mein eigener, von mir so entwickelter, von mir als angenehm, stimmig und gut empfundener Erzählstil.

Jedes Genre, das heute altehrwürdig und angesehen ist, wurde irgenwann mal von einer handvoll unorthodoxer Außenseiter begründet; und weil das, was diese unorthodoxen Außenseiter abseits des Mainstream produziert haben, trotz aller Regelbrüche und Experimente so gut ankam, wurde es dem Mainstream einverleibt.

Fazit: Begründet neue Genres. Begründet neue Stile. Oder versucht es zumindest. Wenn ihr Bock dazu habt. Ansonsten lasst es. Mir egal. Ich habe Bruce Lee auf meiner Seite, mich ficht gar nichts an. Hah. :D

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