Kuwe 06: Manic Pixie Dream Girls

/ Dezember 23, 2012

Hier gibts ein Video, das das Konzept des Manic Pixie Dream Girl und seine Problematik erklärt, und hier eins, das sich drüber lustig macht.

Kurz zusammengefasst: Ein MPDG ist eine weibliche Person, deren einzige Aufgabe innerhalb der Geschichte darin besteht, der männlichen Hauptperson durch kindliches, überdrehtes, ach-so-niedliches Verhalten aus einer depressiven Sinnkrise hinaus in die wundervolle Welt voller Leben und Tralala zu helfen. Sie hat keine eigenen Interessen, keinen Hintergrund, macht keine Entwicklung durch. Sie ist ein reiner Funktionscharakter im Dienste des männlichen Hauptcharakters.

Als ich das erste mal von diesem Trope gehört habe, hat mich fast der Schlag getroffen. Denn Joanna hat den einen oder anderen Wesenszug und die eine oder andere Interaktion mit dem Maler, die durchaus zu einem MPDG passen würden.
Das Problem an der ganzen Sache ist: Ich verabscheue das Konzept des MPDG mit Inbrunst. Für mich verkörpert es alles, was an Romantischen Komödien zum Kotzen ist, und alles, was mir an ‚Harold und Maude‚ auf die Nerven gegangen ist (nämlich Maude und ihre NEIN ICH HAB ÜBERHAUPT KEIN PROBLEM DAMIT BALD ZU STERBEN ICH BIN SO LEBENSLUSTIG UND ERFÜLLT UND ÜBERHAUPT NICHT VERZWEIFELT AAAAAAAAAAAAAH!!!!!! *MIT DEN ARMEN WEDELND IM KREIS RENN*-Art und die Vorstellung, man müsste einem deprimierten Menschen nur mal zeigen, wie lustig das Leben eigentlich ist, damit alles wieder gut wird *hustCoelhohust*).

Inhaltlich ist es beim Kunstwerk in der Tat so, dass durch die Interaktion mit Joanna ein gewisses Interesse am Weiterleben im Maler erwacht. Allerdings passiert das nicht, weil Joanna die ganze Zeit kindisch um ihn rumhoppelt (er würde sie irgendwann erwürgen, wenn das der Fall wäre) und seine negativen Gefühle mit einem saloppen ‚Aber das Leben ist doch in Wirklichkeit super toll!‘ beiseite wischt, sondern weil sie sich auf ihn einlässt. Sie zeigt Respekt für seine Gefühle und seine Bedürfnisse, Interesse an seinem Erleben, und es gibt sowohl in ihrer Persönlichkeit und ihren Gewohnheiten, als auch in ihrer Lebensgeschichte gewisse Berührungspunkte mit dem Maler, was den beiden trotz ihrer grundsätzlichen Unterschiedlichkeit Gemeinsamkeiten und einen überlappenden Erfahrungshorizont gibt.

Joanna kann den Punk rauslassen, Luftgitarre spielen, albern sein – und das eine oder andere davon entdeckt der Maler tatsächlich für sich – aber sie ist mehr als das; wesentlich mehr. Sie ist selbst musikalisch begabt und ernsthaft kreativ, sie ist intelligent, gebildet, interessiert, sie hat eine umfangreiche Lebensgeschichte, ein komplettes Leben außerhalb ihrer Begegnung mit dem Maler, sie kann für sich selbst sorgen, sie hat Grenzen, die sie verteidigt, und ganz eigene Probleme, die sie aktiv zu lösen versucht.

Fazit: Joanna ist eine starke, selbstbewusste, unabhängige, erwachsene, jedoch nicht ausgebrannte Frau. Und als solche ist sie in der Lage, in einen Dialog mit dem Maler zu treten und sich ebenso tiefergehend mit ihm auseinanderzusetzen wie er mit ihr; letztendlich stoßen beide im jeweils anderen Entwicklungsprozesse an und gewinnen so füreinander eine ureigene Bedeutung.

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