Mein neues Tattoo

/ Mai 8, 2015

Nachdem ich lange recherchiert und überlegt habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich das Horusauge auf meinem Rücken doch überstechen lassen will…

Wer sich für die Details dieser Entscheidung interessiert, kann hier mal klicken:

Es ist nicht so, dass ich das Tattoo nicht mehr hübsch fand, oder dass es keine Bedeutung mehr für mich gehabt hätte, aber letztendlich hat es etwas repräsentiert, das ich scheiße finde und mit dem ich nichts zu tun haben will, nämlich kulturelle Appropriation – also wenn sich Angehörige einer dominanten Kultur identitätsstiftende Symbole einer unterdrückten Kultur anziehen, als wären sie ein paar hipper neuer Schuhe.
Sicher, das Tattoo hatte ‚eine Bedeutung für mich‘ und war alles andere als ein Schnellschuss, aber diese individuelle, idiosyncratische Bedeutung toppt leider nicht den in meiner eigenen Kultur schwärenden Fakt der systematischen Unterdrückung Nicht-Weißer Menschen und ihrer Kulturen.
Ja, niemand verbietet Weißen, mit appropriativen Tattoos oder Dreadlocks rumzulaufen, es verstößt gegen kein Gesetz oder sowas, aber es trieft vor Ignoranz und unerkanntem Privileg. Im ‚westlichen‘ Kulturraum kämpfen alle, die nicht Weiß sind, noch immer für die Anerkennung ihrer bloßen Menschlichkeit, und wenn Weiße die kulturellen Werkzeuge, die diese Menschen dafür benutzen, als Konsumgut behandeln, scheißen sie damit auf diese Menschen und ihre Identitäten (und wenn die Ausrede kommt ‚Ich feiere damit diese Kultur‘? Du Spaten, etwas zu ‚feieren‘ bedeutet, ihm Respekt zu zeigen, und anderleuts identitätsstiftende Symbole zu konsumieren, hat nichts mit Respekt zu tun).

Die Sache von wegen ‚tote Kultur vs gelebte Kultur‘, die mich vor einer Weile noch so verwirrt hat, hat sich für mich auch geklärt. Die Kultur des Alten Ägypten und die Menschen, die von ihr abstammen, sind nämlich mitnichten tot. Sie wurden nur kolonisiert, von Muslimen und von Weißen, ihre Religion wurde verdrängt, ihre Kunst für europäische Museen gestohlen usw. Gerade Kulturen, die tot aussehen, weil sie von dominanteren Kulturen niedergemacht wurden, sollten demonstrativ und offensiv respektiert werden.
Es gibt übrigens auch noch immer Maya (und Azteken). Und man sollte eigentlich meinen, dass jemand bezüglich der Maya-Kalender und des Endes der Welt diese Menschen um Information gebeten hätte. Aber nein, die Maya sind ja alle voll tot – und wir stellen sicher, dass dieser Eindruck Bestand hat, indem wir ihre Kultur schön kolonialisiert halten und weiter kräftig in Grund und Boden appropriieren.

Wenn jemand auf die eigene kulturelle Appropriation aufmerksam gemacht wird, kommt oft die Frage: „Ja was soll ich denn stattdessen machen?“ Diese Frage habe ich mir auch gestellt.
Eine Antwort habe ich zuerst nicht gefunden, weil die Germanische Kultur leider mit so viel Nazi-Konnotation beladen ist, dass ich keins ihrer Symbole auf meinem Körper haben will. Ich finde jede Andeutung von Nationalismus oder Patriotismus absolut ekelhaft.

Aber wie sollte ich mich sonst in einem Tattoo ausdrücken? Auf welche Sprache könnte ich zurückgreifen, um durch das Zeigen von etwas, das mir wichtig ist, meine Identität zu kommunizieren?
Das Horusauge stand für die Altägyptische Kultur, Wasser, Fische, Schreibfeder, Schutz und Kringel. Es hat für mich mein Interesse für die Altägyptische Kultur ausgedrückt (eines der wenigen Komplimente in meiner Kindheit, das ich tatsächlich annehmen konnte – auch wenn ich es damals nur als Nettigkeit verstanden habe und heute albern finde – war, dass ich ‚vergeistigte Augen‘ habe, ‚wie die Alten Ägypter‘ [gemeint war, dass meine Iris nicht vom unteren Augenlid berührt wird]); meine Liebe zum Meer (mit den Wellen zu ringen und sie gleichzeitig als etwas freundliches, zugewandtes zu erleben, das mich trägt, mit mir und der Kraft des Wassers alleine zu sein, meine eigene Kraft zu fühlen, meinen Körper zu benutzen, um in den Naturgewalten zu bestehen, das fand ich schon als Kind extrem super); meine Sympathie für Fisch (an Fischen – wie auch Insekten und Reptilien – sieht man deutlich, dass alle Lebewesen kleine Maschinen sind, Roboter mit mehr oder weniger komplexer Programmierung, die sich selbst managen; das finde ich unglaublich faszinierend, und ich fühle mich der offensichlichen Roboter-keit dieser Tieren sehr verbunden, sie versuchen nicht, ihre Natur zu leugnen, wie die meisten Menschen das gerne tun); die Schreibfeder ist ziemlich selbsterklärend; Schutz… puh, hätte ich Schutz nötig gehabt…; und Kringel entsprechen einfach meiner Denkweise.

Naja, wie sollte ich all diese Dinge anders in einem Tattoo unterbringen? Wie?? Wie nur???
Gar nicht. Aber muss ja auch nicht.

[Einklappen]

Jetzt habe ich eine Schreibfeder auf dem Rücken, mit ganz vielen Kringeln und vielen bunten Farbklecksen, die für kreatives Chaos stehen, und für die Kleckserei, über die man, wenn wir mal ganz ehrlich sind, als Autorin nie wirklich hinauskommt.

Es ist leider nicht wirklich so geworden wie ich es mir vorgestellt hatte, aber das werden Tattoos ja nie.
Ein Tatto einer swirligen Feder.

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2 Kommentare
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^Ela^
8 Jahre zuvor

Also ich find das sieht sehr sehr gut aus! :-)
Man stellt sich das Ergebnis immer ein wenig anders vor – ich habe die Theorie, dass das daran liegt, dass Haut als „Medium“ nicht so leicht vorherzusagen ist – aber am Ende ist man doch immer glücklich mit dem Ergebnis, oder? ;-)

Ich wünsche weiterhin gutes Heilfleisch! Bei mir sieht man immer erst so nach 4-6Monaten wie das Endergebnis wirklich aussieht…;-)