Schlecht erzählt: Der Hobbit 2 – The Desolation of Smaug

/ April 19, 2014

(Teil 1, Teil 2, Teil 3 hahahaaa, NEVER!)
Zwischen Teil 1 und 2 gibt es zwei lobenswerte Unterschiede.
1. Wurde das ständige Motivationsgelaber und die Kommentiererei zu den Ereignissen sein gelassen.
2. Verzichtet Gandalf im zweiten Teil darauf, ständig schwülstige, pseudophilosophische Sprüche abzulassen. Stattdessen macht er jetzt gehäuft bedeutungsvolle Pausen. So: „Wort Wort, Wort Wort Wort………. Wort.“ Das nervt auch, aber weniger.

(EDIT: Außerdem stellt sich raus, dass Peter Jackson mit dem Hobbit in eine bereits laufende – von Guillermo del Toro verlassene – Produktion hineingeschmissen wurde und keine Chance hatte, wirklich in die Story einzusteigen und einen Überblick zu kriegen. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die Filme so schrottig geworden sind, und ich möchte Peter Jackson und allen anderen an den Filmen beteiligten an dieser Stelle mein Beileid aussprechen dass sie unter solchen Bedingungen arbeiten mussten.)

Hier kommen die Spoiler.

Was meine Erwartungen angeht, wurde eine positiv erfüllt. Und zwar fängt der Ring an, Bilbo zu beeinflussen. Im Gegensatz zu anderen Dingen wird das subtil kommuniziert, durch Bilbos Mimik und seine Blicke. Das hat mir gut gefallen. Dr. Watson steigt außerdem sehr gut in die Fußstapfen des LotR-Bilbo. Vielleicht hab ich mich auch bloß ein bisschen an die neue Besetzung gewöhnt, ich weiß es nicht. Aber es ist mir positiv aufgefallen.

Enttäuscht wurde ich, da die im Internet verbreitete Behauptung, in Teil 2 würden die einzelnen Zwerge mehr Persönlichkeit bekommen, eine blanke, horrende Übertreibung ist.
Gut, Kili bekommt eine Sonderrolle (mehr dazu später), Fili darf sich in einer Szene kurz profilieren, der rothaarige Zwerg hat ein paar witzige Momente, Gimlis Vater ist geizig und der ganz alte Zwerg ist ein ganz alter Zwerg. Das als ‚Entwicklung von Persönlichkeit‘ zu bezeichnen, find ich ziemlich banane. Der Monolith ‚Zwergentruppe‘ wurde für mein Empfinden nicht aufgelöst.

Hier meine sonstigen Gedanken in Sachen Hobbit 2:

1. Lovestory?!
Ein Token Badass Female Character wird eingeführt. Tauriel, die Leiterin der Sicherheitstruppe. Und da keine anderweitige Motivation gefunden wurde, um sie tiefer in die Geschichte einzubeziehen, hat man mal eben ein Liebesdreieck gesponnen. Wer die anderen beiden Ecken des Dreiecks sind? Well, let me tell you.
Erstens haben wir da Legolas. Ja. Legolas. Der asexuelle, stromlinienförmig eigenschaftslose Waldelbenprinz verknallt sich in Tauriel. Aber Tauriel nicht in ihn. Drama? Pffff. Ich kann mir bei Legolas keine Gefühlsregung vorstellen. Der Mann wirkt selbst apathisch wenn er vor Gimli angibt. Vielleicht ist es eher so ein höfisches Liebe-aus-der-Ferne-Ding.

If you ever type that fucking sentence again, I’ll know. And next time I will fucking EAT YOUR LIMBS!!!

Das dritte Eck ist Kili. Der andere gutaussehende Zwerg, der Tauriels Herz gewinnt, indem er ihr erzählt, dass er noch bei seiner Mama wohnt und einen gewissen Sinn für Ästhetik hat. Ich meine, Glückwunsch an Tauriel, dass sie sich von dem Rassismus in ihrer Kultur nicht so beeinflussen lässt, aber… Sie rennt diesem Mann hinterher, mitten in eine zu erwarten gewesene Horde von Orks! Und dann lässt sie Legolas, der gekommen ist, sie zu unterstützen, allein weiter gegen die Orks kämpfen, weil sie lieber Kili rettet. Der hat nämlich einen Pfeil abbekommen. Am Knie.
He used to be an adventure like you, but then… *facepalm*

2. Spannung?
Da wir aus dem ersten Teil bereits wissen, dass die Zwerge – einfache Spielzeugmacher, Schreiner, Masseure und Visagisten – im Nahkampf unbesiegbar und auch sonst völlig unvernichtbar sind, bleibt die Spannung natürlich völlig auf der Strecke.
Immerhin hat Jackson das soweit erkannt, dass er die (viel viel viel viel viel zu langen) Kampfszenen für Slapstick nutzt und so den gewaltsamen Tod von Dutzenden von Orks zu einer witzigen Einlage in diesem Kinderfilm macht.

3. Rassismus
In 1. schon erwähnt, die Elben – und die Zwerge – werden als sehr, sehr rassistisch dargestellt. So rassistisch in der Tat, dass Thorin mehr Wert darauf legt, Legolas‘ Vater zu beschimpfen (mit dem Resultat, dass die gesamte Zwergentruppe im hauseigenen Knast landet), als zu einer gütlichen Einigung zu gelangen, die ihre Chancen auf Erfolg nicht unerheblich gesteigert hätten.
Das Ganze wird auch durch Legolas eindrucksvoll verklörpert, wenn er sich in der Kampfszene mit den Fässern auf die Köpfe der Zwerge stellt, anstatt auf die Ränder der Fässer. Denn Zwerge kann man ruhig mit Füßen treten.
Mir geht sowas extrem auf den Senkel, vor allem weil es nicht kritisch dargestellt ist, sondern als etwas Witziges. Haha, Legolas steht auf deren Köpfen rum. Ebenso nonchalant kommt Rassismus zwischen real existierenden humanoiden Wesen daher. Das Ganze auch in einer gänzlich fiktiven Welt zu verniedlichen, spielt dem Alltagsrassismus in die Hände.

4. Billig
Ich weiß nicht genau warum, aber der ganze Streifen wirkt billig.
Vielleicht liegt es daran, dass die Orks so weichgezeichnet sind. Nicht in allen Szenen und nicht alle Orks, aber im Vergleich mit den krassen Typen aus LotR wirken sie wie gewollt und nicht gekonnt.
Vielleicht liegt es daran, dass das Script so richtungslos rüberkommt. Klar, das Ziel der Zwerge ist klar, aber all die Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt werden, sind im zweiten Teil genau so zufällig und à propos von überhaupt nichts wie im ersten Teil. Es gibt keinen klaren Zusammenhang zwischen den Hindernissen und dem Ziel, keine Absicht hinter den Hindernissen.
Am meisten aufgeregt hat mich die Sache mit dem Hautwechsler. Diese Szene hat nichts erreicht, absolut nichts, außer dem Hautwechsler und den Zwergen eine Gelegenheit für weiteren Rassismus zu geben, am Rande einen Genozid anzuschneiden und dann natürlich noch haha, witzig, der Kerl der uns umbringen will, ist auch der Kerl, in dessen Haus wir uns in Sicherheit bringen. Dass der Hautwechsler den Zwergen Ponies leiht? Irrelevant! Der Reiseabschnitt auf den Ponies wird nichtmal gezeigt. Sie reiten beim Hautwechsler los und cut, schon stehen sie am Wald, in den sie die Ponies nicht mitnehmen dürfen.

5. Smaugzekätzchen
Der O-Ton von Cumberbatch klingt boshaft, crazy und schleimig belegt. Aber die deutsche Synchro? Wtf? Smaug klingt wie ein Schmusekätzchen. Ein lispelndes Schmusekätzchen, was den Niedlichkeitsfaktor nochmal exponenziell erhöht. Dadurch fällt Smaug in der deutschen Version vollends aus der Ästhetik heraus, die wir von Mittelerdes Bösewichten according to P. Jackson gewohnt sind.
Dazu dann noch die viel zu langen Szenen mit ihm, in denen er viel zu viel labert.
Die haben sich sowas von angestrengt, den Film auf Mammutlänge auszudehnen, dass sie darüber vergessen haben, dass den ja auch noch jemand angucken muss.
Die ganze zweite Hälfte hat sich wie das Ende von RotK angefühlt. ‚Jetzt ist der Film vorb- — Okay, jetzt ist der Film vorb- — Jetzt aber. Jetzt ist der Film vor- — Bei den Göttern, wird das jemals enden???‘
Im Ernst, als wir endlich bei den Szenen in Smaugs Höhle angekommen sind, hatte mein Mann schon dreimal „Uuuund Cliffhanger!“ gesagt.

Und ein weiterer Punkt rund um Smaug hat mich gestört – mal abgesehen davon, dass Smaugs Bett das Ende des Goldstandards als Grundlage für die Währungen Mittelerdes bedeuten würde.
Diese Falle, die sich Thorin dem Strachen stellen wollte, war ja wohl… Ich zweifle an Herrn Eichenschilds Fähigkeit, Dinge bis zum Ende zu durchdenken.
Ich meine, gut, sie haben sich für diesen Szenenkomplex dran erinnert, dass der Film ja in 3D ist und dass man irgendwie ein paar Kamerafahrten einbauen könnte, nur so, um das Feature auch zu nutzen. Aber wer dachte, dass schon die Kampfszene mit den Fässern unrealistisch war, wird hier mit einer ganz neuen Perspektive auf das Konzept des ‚Unrealismus‘ konfrontiert.
Gold schmilzt binnen Sekunden über Öfen, die nach Jahrzehnten des Stillstands und Verfalls immer noch subito einwandfrei funktionieren. Ganz zu schweigen von den Transportvorrichtungen. Alles in tip-top Zustand, wie frisch geölt. Und natürlich nimmt niemand Schaden, während Smaug die Bude zu Ruinen verarbeitet – abgesehen von den Gesetzen der Physik, die auf einmal erlauben, dass man tausende Hektoliter noch flüssiges Gold mal eben von seiner Gussform befreit, dass das flüssige Gold seine Form viele Sekunden lang perfekt behält, ehe es an völlig willkürlichen Stellen auf einmal geysierartig vorploppt.
Sie gießen Smaug in Gold. Eine tolle Idee, wirklich. Einen Drachen, der extrem heißes Feuer produzieren kann, mal eben in Gold eingießen. Keine Chance, dass der da wieder raus kommt. Nah. Auf keinen Fall.

6. Sauron-Disco
Gandalf begegnet Sauron, und was eine erschreckende Szene hätte sein können, die den Bösewicht als gigantische Monstrosität portraitiert, wird zu einer Art Kylie-Minogue-Musikvideo. Roter Sauron, schwarzer Sauron, roter Sauron, schwarzer Sauron, schlank und lässig mit zackigem Hut, uuuuuh!
Dieses schwarze Rauchzeug und die Lichtkugel waren so ein guter Ansatz, sie hätten es bloß in die Ringträger-Sicht mit den verwaschenen, ausgefransten Kanten überführen und dann Sauron als riesiges, formloses Rauchtentakelmonster mittenrein knallen müssen. Das wäre gruselig gewesen.

7. WTF Thorin, Klappe die Zweite
Anfangs ist Thorin der edle, für sein Volk sorgende Ritter, der nur will, was rechtmäßig sein und der Seinen ist. Und, sicher, die Erkenntnis, dass Macht korrumpiert, ist fast schon (TM) in den LotR-Geschichten. Aber dass Thorin den paranoiden Tyrannen raushängen lässt, sobald der Arkenstein in Reichweite gerät, find ich übertrieben.
Die Message wird durch den Einen Ring und sein Wirken schon gut genug transportiert. Man muss nicht jedes kleine Macht-Moment derart ausschlachten.

Fazit:
Ich habe mich während des Films die meiste Zeit gelangweilt. Wo ich mir von LotR die Extended Version gewünscht habe, wünsche ich mir vom Hobbit die Reduced Version, bei der alles auf einen einzigen dreistündigen Film runtergeschnitten ist.
Ich will echt nicht wissen, was sie sich alles aus dem Arsch ziehen, um den dritten Teil auch nochmal auf diese Länge aufzublasen.

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2 Kommentare
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Heike Noll
9 Jahre zuvor

Ein sehr schöner und lehrreicher Beitrag.